Bizarrer Streit um eine Kirchenglocke

DSCF8388Man möchte fragen, ob das Sommerloch denn immer noch nicht zu Ende ist. Oder ob die Politiker in Herxheim am Berg keine ernsthaften politischen Probleme kennen. Aber der Irrsinn und die Hysterie, die sich in Symbolpolitik ein Ventil sucht, macht mittlerweile auch vor kleinen Landgemeinden nicht mehr Halt. In Zeiten geschichtspolitischer Säuberungswellen bei der Bundeswehr animiert auch die stets präsente Presse Personen, die sich durch besonderen Eifer zu profilieren versuchen.

Worum geht es in Herxheim? Im Turm der dortigen protestantischen Kirche St. Jakob hängt eine Bronzeglocke aus dem Jahr 1934. Die Glocke ist ein Zeitzeugnis, denn sie trägt die Inschrift „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ und ein Hakenkreuz. Da sie nicht öffentlich sichtbar ist und offenbar bis in heutige Tage gut ihren Dienst tut, hat das in den letzten 83 Jahren kaum jemanden ernsthaft gestört.

Doch nun musste die „Rheinpfalz“ daraus eine Story basteln und einigen Leuten ein Sprachrohr bieten, die sich an der Existenz der Glocke stören. Eine ehemalige Organistin wird zitiert, die für die sofortige Abschaltung der Glocke und die Verbannung in ein Museum plädiert.

Bürgermeister Roland Becker (FWG) antwortete darauf: „Ich sehe keinen Grund, die Glocke zu entfernen (…)Das sind Sachen von damals, die heute noch benutzt werden.“ Auch einen „aufklärenden Hinweis auf die Glocke“ hält er für überflüssig.

Ein solcher würde, so kann ergänzt werden, kaum neue Erkenntnisse bringen, sondern nur als Ersatzbefriedigung dienen. Er würde unnötig auf die Glocke aufmerksam machen, sie also überhöhen. Und sowohl eine Abschaltung wie ein Hinweis ist mit Kosten für die Gemeinde verbunden.

Das Thema wurde in vorhersehbarer Weise von der ARD-Sendung „Kontraste“ aufgegriffen. Dabei tappte Bürgermeister Becker in die Falle, die ihm gestellt wurde, drückte sich ungelenk aus, indem er erklärte, er sei stolz, eine Glocke mit dieser Inschrift zu besitzen, da sie die einzige in Rheinland-Pfalz sei. Zudem verwies er darauf, die NS-Zeit differenziert zu betrachten, mit ihr also „nicht immer gleich die Judenverfolgung und die Kriegszeiten“ zu verbinden. Die unglückliche Wortwahl ließ Becker als NS-Sympathisant erscheinen bzw. der Medienbeitrag sollte dies auch suggerieren. Diese Medienbeachtung hat dann dazu geführt, dass sich einige Politiker im Gemeinderat zu profilieren und ihr politisches Süppchen zu kochen versuchten. Eine ebenfalls vorhersehbare Kettenreaktion also.

In einer von den beiden Beigeordneten Gero Kühner (SPD) und Dietmar Lutz (CDU) unterschriebenen Stellungnahme distanzierte sich das Ortsgremium von Beckers Aussagen, da sich diese „in keinster Weise mit der Meinung des Gemeinderats“ deckten. Becker hätte angeblich dem Ruf der Gemeinde schwer geschadet. Der Gemeinderat sähe somit die Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm als nicht mehr gegeben an.

Zusätzliches Öl ins Feuer goss die unvermeidbare NPD, die nun eine Kundgebung anmeldete, somit den Bürgermeister als einen Sympathisanten ihrer Ideen erscheinen ließ. Der SPD-Politiker Gero Kühner fühlte sich nun seinerseits dazu animiert, „ein deutliches Zeichen gegen Rechts“ zu setzen.

Der ganze Wahnsinn deutscher Vergangenheitspolitik bzw. symbolpolitischen Selbstdarstellungsneurose lief also wieder nach Drehbuch ab. Und das wegen einer Glocke, an der sich 83 Jahre niemand ernsthaft gestört hat.

Ebenfalls vorhersehbar bei diesem Spiel war, dass es ein Opfer geben musste. Ein Kopf musste rollen, damit sich die eifrigen Herxheimer Vergangenheitsbewältiger sowie die Medien-Sekundanten als Sieger und bessere Menschen fühlen können. Und zur Disziplinierung der Bürger, damit es nicht zu weiteren Fällen von Fehlverhalten kommt. Entweder also musste der Bürgermeister zu Kreuze kriechen oder zurücktreten.

So ist Ronald Becker nun zurückgetreten.

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AfD-Mitglied Oliver John hat zu dem Thema einen offenen Brief an die maßgeblichen Gemeinderatsmitglieder Kühner und Lutz geschrieben, aus dem Passagen zitiert sein sollen:

„Ich verfolge Ihren Dorfkrimi `Die Hitler-Glocke´ seit geraumer Zeit und hatte eigentlich die Hoffnung nach einem interessanten Höhepunkt aufgegeben. Schön, dass man ab und zu eines Besseren belehrt wird. Wobei hier vielleicht anzumerken sei, dass die Überraschung nicht Herr Beckers Aussage war, sondern die Reaktion von ihnen beiden, meine Herren.
Ich verstehe es ehrlich gesagt nicht wirklich, dass ein Gegenstand, der seit 1934 in einem Glockenturm in Ihrer Gemeinde hängt, seither friedlich vor sich hin läutet und niemanden, außer ein paar Genossen, alten 68er Revoluzzern und verwirrte ehemalige Kirchenangehörige ernsthaft stört, nun als Objekt einer Medienschlacht wird, die ihres Gleichen sucht. Man könnte fast meinen, es wäre Wahlkampf!

Mein Opa, Gott habe ihn selig, sagte oft, und ich zitiere: `Früher war nicht alles schlecht!´
Mein großes Interesse an der deutschen Geschichte, und dazu gehören eben mehr, als die von vielen so zwangssterilisierten 12 Jahre, hat mir gezeigt, dass es immer wieder Personengruppen gab und wohl immer geben wird, die mit aller Gewalt versuchen, Dinge tot zu schweigen, schlecht zu machen oder Andersdenkende zu denunzieren, weil Sie sich nicht trauen, etwas anderes zu sagen, als die ahnungslose Mehrheit. Ganz ehrlich? Ich würde Herrn Becker gerne die Hand schütteln und ihm sagen:
`Subber gemacht. Du hoscht en Arsch in de Hosse!´.
(…)
Sollte es aber nur am Namen des Stifters oder an dem HK liegen, dann überkleben Sie diese Bereiche doch einfach. Dann muss es keiner sehen, wer auch immer in den Glockenturm steigen darf.
(…)
Aber wenn Sie jetzt, 72 Jahre nach Kriegsende, versuchen Ihr Dorf zu entnazifizieren, dann schauen Sie auch bitte in allen Amtsstuben nach, ob da vielleicht nicht noch ein Bild eines ehemaligen Bundeskanzlers in Wehrmachtsuniform hängt! Denn so etwas darf es seit kurzem ja auch nicht mehr geben.
(…)
Wenn Sie, meine Herren, wichtige Dinge auf die Tagesordnung schreiben würden, dann wüsste außer ein paar `alten Herxheimern´ niemand, dass es eine solche Glocke gibt.“